Aus Erfahrung wird man klug … wirklich?

Gastkolumne von Markus Reimer

Händewaschen ist derzeit wieder in großer Mode! Es bestreitet auch niemand, dass Händewaschen in Zeiten von Corona eine sinnvolle Sache sei. Anders sieht es dagegen mit Zuhausebleiben aus. Nach wie vor sehen etliche Menschen nicht ein, dass es wichtig ist, bei Epidemien oder gar Pandemien soziale Kontakte zu vermeiden. Damit kann man Viren nicht besiegen; aber sie eben eindämmen. Woher man das weiß?

Ein stets sinnvoller Weg ist der Blick auf Erfahrungswerte. Dabei zeigt sich, dass die Corona-Pandemie nicht die erste Pandemie ist. Zumindest der Blick auf die Spanische Grippe vor rund 100 Jahren zeigt uns die katastrophalen Auswirkungen einer solchen Situation. Sie forderte damals über 25 Millionen Tote weltweit; und das bei einer Weltbevölkerung von nicht einmal zwei Milliarden Menschen.

Aber der Blick auf dieses Desaster zeigt uns auch – bei genauerem Hinschauen – die entsprechenden Lösungen. So wurden damals in den USA beim „Auftauchen“ der ersten Anzeichen der Spanischen Grippe im September 1918 völlig konträre Maßnahmen ergriffen: Während in Philadelphia kaum Maßnahmen ergriffen wurden, so wurde in St. Louis sofort reagiert. Alle öffentlichen Veranstaltungen wurden abgesagt, Schulen geschlossen und Kirchen dichtgemacht. Im klassischen wissenschaftlichen Sinne hatte man eine Interventionsgruppe: die Einwohner von St. Louis; und eine Kontrollgruppe: die Einwohner von Philadelphia. Im Dezember 1918 war dann das Ergebnis und leider der Unterschied in tragischster Form sichtbar: In der „Interventionsstadt St. Louis“ waren 700 Tote zu beklagen; in der „Kontrollgruppenstadt Philadelphia“ über 12.000. Damit war aus der Theorie sehr schnell praktisches Wissen entstanden.

Markus-Reimer

Über den Autor

Markus Reimer

Promovierter Philosoph aus Bayern, Keynote-Speaker zu Qualität, Innovation, Agilität, Wissen und Digitalisierung, Autor (aktuelles Buch „Der Kugelfisch“) und Auditor für QM-Systeme.

Er bringt Dinge gerne auf den Punkt; und den Punkt in die Fläche, um über die Ränder hinauszuschauen.

www.markusreimer.com

Das ist nun 100 Jahre her. Das Wissen um die Wirksamkeit dieser einfachen Maßnahme ist nach wie vor vorhanden. Nicht jedoch bei allen. Keiner der heute noch draußen Umtriebigen kannte einen der 25 Millionen Toten von damals. Deswegen gehen Menschen nach wie vor in Biergärten, Parks und sonst wohin – und Behörden müssen ein- und durchgreifen.

Nicht nur in Gesellschaften, sondern auch in Organisationen: Das ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen im Umgang mit Erfahrungswissen, aus Erfahrungen klug zu werden, auch wenn es nicht die eigenen Erfahrungen sind. Es gilt zu verstehen, dass Erfahrungswissen fundiertes Wissen darstellt. Ein Wissensmanagement kann nur dafür sorgen, Erfahrungswissen systematisch zur Verfügung zu stellen. Eine Wissenskultur sorgt dann dafür, dass das, was vorhanden ist, auch praktische Anwendung findet. Freiwillig! Aus Überzeugung!

Die Corona-Pandemie zeigt uns genau diese Herausforderung derzeit wieder im großen Stil auf.

Markus Reimer beim Treffpunkt.Wissens­management 2019

Mit seiner unterhaltsamen Art brachte Markus Reimer den Teilnehmern der WBI Netzwerkveranstaltung das Thema Wissensmanagement mit seinem fundierten Wissen näher. Gekonnt humorvoll, in bayrischem Schmäh verpackt, wurden unter anderem die wichtigsten Fragen geklärt:

  • Was ist Wissen?
  • Wo wollen wir hin?
  • Wie motiviere ich meine Mitarbeiter?

Der Wissensmanagement-Experte betonte, dass es im Software-Bereich vieles gibt, das in irgendeiner Form etwas mit Wissensmanagement zu tun hat, meist im Zusammenhang mit Qualitätsmanagement. Aber in dieser fokussierten Form kennt er nichts Vergleichbares.

Video-Beitrag

Den Vortrag von Markus Reimer finden Sie in voller Länge auf unserem WBI YouTube Channel.